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John Banville, Caliban, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2004


Man kann Banvilles brillant übersetzten Roman als Hütchenspiel mit Fragen der Identität, Autorenschaft, Lüge und Wahrheit verstehen ... Aber Caliban ist auch die Charakterstudie eines Mannes auf der Suche nach dem Selbst.
DER SPIEGEL, Nr. 25 / 14.6.04


Vorherrschend in diesem Roman aber ist das Moment der Auflösung, der eintretenden Leere, einer zunehmenden Verfinsterung, sind Absenzen, Wahrnehmungsverschiebungen, das Halluzinierende und Delirierende, das bis in den Satzbau reicht und Banvilles suggestiven Stil begründet. Es ist die Beschreibung dieser Seelenzustände, es sind Reflexionen und Stimmungen, vorwiegend dunkle, düstere Stimmungen, von denen etwas Traum- und Tranceartiges ausgeht - und das John Banvilles Bücher ebenso unausschöpfbar wie faszinierend macht.
Helmut Petzold in Diwan - Büchermagazin des Bayerischen Rundfunks


John Banville, der 1945 geborene große irische Romancier, arbeitet eine Fülle von Anspielungen auf Motive aus Philosophie, Literatur und bildender Kunst in den nicht eben leicht zu lesenden Roman ein. Seine ausgefeilte, oft ironische Diktion wird von der Übersetzerin Christa Schuenke vorzüglich ins Deutsche gebracht.
Rainer Rönsch in der Sächsischen Zeitung


In [Axel Vanders] von Banville meisterhaft gestalteten, übellaunig polternden Erzählstrom findet man weder Halt noch Anhaltspunkte für die Grenzen zwischen Lüge und Wahrheit (...) Banvilles Roman ist ein großartiger Akt der Verschleierung, eine kunstvolle Ansammlung falscher Fährten mit eingebauter Unschärfe, denn je näher man hinsieht, desto weniger kann man erkennen. Verunsicherung ist sein Programm, was ihn zwar nicht zu einer entspannenden, aber dafür zu einer auf interessante Art herausfordernden Lektüre macht. „Caliban“ fügt sich damit in die ansehnliche und hoch gelobte Reihe seiner anspruchsvollen Romane nahtlos ein, in denen er sich Eindeutigkeiten in Geschichte, Kunst oder Wissenschaft verweigert und statt dessen produktive Ambivalenzen anbietet. Und auch wenn der Roman nicht als Verteidigung de Mans fungiert, funktioniert der doch als Rehabilitierung der Relativität, für die sich jener ausgesprochen hatte.
Sebastian Domsch in der taz


Eine ungetrübte Freude.
Michael Rutschky in der Frankfurter Rundschau


John Banville ließ sich für seinen fulminanten Roman von der Lebensgeschichte des belgischen Literaten Paul de Man inspirieren, der im Alter mit den antisemitischen Artikeln seiner Jugend konfrontiert worden war. Der irische Autor überschüttet seinen dämonischen Helden Vander mit so viel Liebe, stattet ihn aus mit einem großartigen Wortschatz und bissigem Humor. Selbst wenn Vander seinem körperlichen Verfall beklagt, steckt er voll List und Lebenslust. Im Bett mit seiner dürren und blassen Geliebten träumt er von einer „pummeligen Götzin“, deren „mit Grübchen geschmückten Knien“ und „drei entzückenden, einander überlappenden Fettwülsten über jeder Hüfte“.
Die Tragödie, die tief in ihren Charakteren verwurzelt ist, trägt im Original den Titel „Shroud“, das Leichentuch Christi, welches das Paar in Turin nicht zu sehen bekommt. In der meisterhaften deutschen Übersetzung von Christa Schuenke ist der Titel nicht nach der Reliquie benannt, sondern nach dem Tölpel aus Shakespeares „Sturm“: „Caliban“ – so kann man Vander auch charakterisieren.
Die Sprachkraft des Erzählers ... hält den Leser bis zum letzten Satz in Bann.
Marianne Quorin im Kölner Stadtanzeiger


Der Leser ist aufgerufen, aus diesem Gespinnst an Wahrheiten und Lügen eine Art Plot zu rekonstruieren. Das fällt nicht immer leicht, manchmal verliert man sich in Banvilles wild wuchernder, kreisender Prosa. Was aber nicht so schlimm ist, denn schon rein sprachlich macht die Lektüre dieses Romans Spaß. Und der Protagonist ist in seiner Mischung aus Arroganz und Selbstekel eine sehr interessante Figur. Dazu kommt noch das intellektuelle Spiel mit de Mans und Althussers Biografie. Banville lotet die atemberaubenden Dimensionen eines Identitätstausch aus, eines Lebens hinter einer Maske.
Thomas Askan Vierich im DeutschlandRadio Berlin,
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