Benjamin Black "Ich pflanze Seelen", sagt ein reicher Mann: des Buches
Schlüsselsatz auf Seite 319. Der Roman beginnt damit, dass der
Pathologe Quirke nachts im Leichenkeller seinen Schwager Malachy beim
Lesen der Akte einer jungen Toten ertappt, die ihn nichts angeht.
Was will Malachy? In seiner Familie geht Seltsames vor, es hat mit
verschwundenen Babys zu tun. Ungeheuer feinfühlig sind die Beziehungen
der Akteure geschildert, so meisterlich ist das Dublin der fünfziger
Jahre erfasst, dass der Leser russgeschwängerten Nebel zu riechen
glaubt. Und weil die Sprache ausdrucksstark ist bis ins hinterste
Adjektiv ("Was mochte wohl vorgehen hinter diesem knochigen,
sargförmigen Gesicht?") und Quirkes Sehnsucht nach der Frau,
die Malachy heiratete, jeden Satz melancholisiert, ist dies unter
den Frühlingskrimis das literarische Meisterstück. Benjamin
Black ist ja auch John Banville, einer der grossen Schriftsteller
Irlands. Banville und seiner nie weniger als erstklassigen Übersetzerin
Christa Schuenke gelingt es dabei anscheinend mühelos, die unterschiedlichen
und zunächst von Kapitel zu Kapitel wechselnden Temperaturen
der beiden Schauplätze zu bestimmen und die Atmosphäre des
von verdrängten Leidenschaften und den Zwängen einer strengen
katholischen Moral geprägten Dublin der Jahrhundertmitte ebenso
sorgfältig zu vermessen wie das kaum förderlichere Klima
Bostons, in dem sich die Tragödie um Christines Tochter allmählich
auf ihr Ende zuspitzt. "Quirke kam es vor, als wäre er sein
ganzes Leben lang hier herumgehumpelt", so Banvilles Erzähler,
als Quirke zusammen mit dem Vater des Kindes den kleinen Friedhof
umrundet, auf dem es begraben ist, "oder besser gesagt, als wäre
sein ganzes Leben nichts weiter gewesen als ein endloser, schleppender
Gang rund um das Reich der Toten." Die Bilder sind eindringlich, die Figuren lebensecht bis an den Schmerz,
Stadt und Natur vom Verfall gezeichnet. Wer in den Sog dieser atmosphärisch
dichten, dunklen Geschichte gerät, vergisst die Welt um sich.
(...) Autor Benjamin Black lässt den (großartig übersetzten)
Roman im katholischen Irland der 1950er Jahre mit einer Schiffsmetapher
beginnen. Das Bild vom Lebensschiff scheint sich zum Markenzeichen
jenes Schriftstellers zu entwickeln, der sich hinter dem Pseudonym
Benjamin Black verbirgt. Es ist der brillante irische Gegenwartsautor
John Banville. 2005 mit dem Booker Prize für das Glanzstück
Die See ausgezeichnet, legt Banville alias Black nun seinen ersten
Kriminalroman vor. Mit hoher sprachlicher Qualität auf einem
ebensolchen Niveau an Spannung erschließt Black eine Welt des
Scheins und Verbrechens, dirigiert von eiskalten Meistern der Heuchelei. |